„Das Schweigen steht am Anfang des Kundtuns“, lautet die alte Predigtregel. Das gilt nicht weniger für den Dichter. Mit dem vorliegenden Band gewährt uns Katharina Seidel Zutritt zu unterschiedlichen Räumen ihres Schweigens. Wir dürfen Mitlauschende ihres Horchens werden. Sie wagt es, Stille auszuhalten, auch beklemmende Stille. Andere Gedichte strahlen heitere Gelassenheit aus und führen zu neuen Einsichten. Oder sie überraschen mit erfrischender, wohltuender Kühnheit und Aufmüpfigkeit. Ein gewisses „basso continuo“ tönt in allen ihren Gedichten, nicht immer lautstark, aber immer mit vernehmbarem Pulsschlag. Bei allem Suchen und Fragen weiß sie sich gehalten und geführt. Lange bevor ich, Herr, nach Dir schrie, riefest Du mich bei Namen. Nie hätte in mir ein Feuer gebrannt, hättest Du nicht zuvor den Funken gelegt. Und Deine Antwort war früher als meine Frage.